Exkursion in die Gedenkstätte Schillstraße in Braunschweig
Am 14.09.2020 fuhr das Seminarfach „Erinnerungskultur“ zusammen mit Frau Hartmann zur Gedenkstätte Schillstraße. Wir erreichten diese unter corona-konformen Bedingungen. Dort angekommen, sahen wir ein kleines Haus, eine Mauer, an der viele Tafeln hingen und eine große, massive Steinsäule in der Mitte des Platzes mit einem Kreuz oben drauf.
Lange mussten wir nicht warten, dann wurden wir herzlich begrüßt und fanden uns im Raum der Gedenkstätte ein, in diesem kleinen, unscheinbaren Häuschen, dem sogenannten „Invalidenhäuschen“, welches bereits um das Jahr 1840 erbaut wurde. Dieser Raum wird heutzutage auch als „Offenes Archiv“ genutzt.
Nach der herzlichen Begrüßung trotz Corona wurde mithilfe einer Präsentation gezeigt, was an diesem historischen Ort früher passierte, denn in den Zeiten des Nationalsozialismus war in direkter Nähe ein KZ-Außenlager. Das Wissen, wir stehen an einem Ort, an dem so etwas Schreckliches geschah, schaffte ein ungutes Gefühl in uns.
Wir erfuhren viel über das Leben im KZ-Außenlager und die Zwangsarbeit in den nahe gelegenen Büssing-Werken. In der Präsentation war auch ein Interview mit dem Zeitzeugen Sammy Frenkel, welcher über sein Leben im Außenlager berichtete. Sammy Frenkel war Jude und lebte mit seiner Familie in Braunschweig, bevor er über das Ghetto Lodz nach Auschwitz deportiert wurde. Mitarbeiter der Büssing Werke fuhren damals extra nach Auschwitz, um geeignetes Personal für die Arbeit in den Büsing-Werken auszuwählen. Sammy Frenkel wurde gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder und diversen anderen Häftlingen ausgewählt, um Zwangsarbeit in Braunschweig zu verrichten. Seine Mutter wurde in Auschwitz direkt nach Ankunft ermordet. Die genauen Erzählungen Frenkels ließen uns erschauern und lange Zeit darüber nachdenken, wie so etwas zugelassen werden konnte.
Im Folgenden konnten wir die Tafeln erkunden, welche im Außenbereich angebracht waren. Hier gab es Informationen über das Außenlager sowie Bilder und Texte von Lebensgeschichten einzelner Häftlinge.
Im strahlenden Sonnenschein sind wir dann auf den Parkplatz des BraWo-Parks gelaufen, denn dort befindet sich ein Denkmal, ein Betonrahmen, der auf eine kleine Rasenfläche zeigt. Dieser sei so unauffällig, dass es den Menschen, die dort parken, selten bis nie auffalle, betonen Frau Hartmann und Herr Hartwig.
Unter der besagten Rasenfläche befinden sich Überreste einer ehemaligen Baracken des KZ-Außenlagers. Uns wurde bewusst, dass uns solche Erinnerungsorte ohne unser Seminarfach niemals wirklich aufgefallen wären. Wir wären vermutlich daran vorbeigelaufen, ohne uns der Bedeutung bewusst zu werden. Genauso ist der Schriftzug an einer weiteren Mauer auf dem BraWo-Parkplatz auch ein Erinnerungsobjekt, welches jedoch ebenfalls kaum auffällt. Mit einem gedrückten Gewissen darüber, dass solche Erinnerungsorte einfach verloren gehen und bewusst gar nicht mehr wahrgenommen werden, gingen wir in die Mittagspause.
Nach der Mittagspause beschäftigten wir uns mit der massiven Steinsäule. Diese Stein-Säule ist das Schilldenkmal. Unter dieser Säule wurde der Kopf von Ferdinand von Schill und die Überreste einiger seiner Anhänger bestattet. Schill und seine Anhänger unternahmen 1809 einen Aufstand gegen die napoleonische Besatzung und wurden geschlagen. Schill selbst starb bei den Kämpfen in Stralsund, einige seiner Offiziere wurden von einem französischem Militärgericht nachfolgend in Braunschweig hingerichtet.
Das Gefühl, dass da einige Köpfe unter der Säule liegen, war ziemlich spannend.
Wir erfuhren, dass an diesem Ort immer wieder Gedenkveranstaltungen stattgefunden haben. Dabei wurden die Ereignisse des schillschen Befreiungskampfes jeweils aus der Sicht des jeweiligen Zeitgeistes interpretiert und für aktuelle Zwecke instrumentalisiert. Auch die Nationalsozialisten instrumentalisierten Schill für ihre Propaganda. 1933 erinnerten die Nationalsozialisten an den sogenannten Ruhrkampf gegen die französische Besetzung des Ruhrgebietes 1923-25 und bezeichneten diesen als Fortsetzung des schillschen Freiheitskampfes, der nun von der SS und SA fortgeführt werden würde.
Nach diesem Exkurs befassten wir uns wieder mit der Zeit des Nationalsozialismus. In Gruppenarbeit schauten wir uns Zeitzeugeninterviews von zwei ehemaligen Häftlingen an, die über ihre Zeit im Außenlager Schillstraße und ihre Zwangsarbeit bei Büssing berichteten. Geteilt in 4 Gruppen haben wir diese Interviews bearbeitet und am Ende die Ergebnisse präsentiert.
Letztendlich war die Exkursion eine interessante und empfehlenswerte Erfahrung. Die Gedenkstätte Schillstraße mit dem ehemaligen Außenlager lädt einen zum Nachdenken ein und gibt viele tiefe Einblicke in unsere Vergangenheit. Persönlich finden wir es fragwürdig, dass das ehemalige Lagergelände durch den Parkplatz des BraWo-Parks überbaut wurde. Wirtschaftliche Interessen stehen hier deutlich über den Interessen der Erinnerung.
Für den gesamten Kurs war diese Erfahrung ein voller Erfolg und wir freuen uns schon auf die nächste Exkursion.
Selina Stöter und Lina Louise Spiegel, Seminarfach „Erinnerungskultur“, Jg.12